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Gesunde Zukunft | NEWS

28.03.12 // Deutschlands älteste Wölfin tot

veröffentlicht am: 28-03-2013
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Deutschlands älteste Wölfin ist tot
Bei Mücka ist die besenderte Wölfin „Einauge“ durch Artgenossen getötet worden. Vorher wurde sie aber beschossen.
Von Wulf Stibenz

Der Daubaner hat eigentlich nicht anhalten wollen. Aber wenn bei eiskaltem Wetter am Ortsrand von Mücka so eine geschäftige Ansammlung von Menschen diskutierend herumsteht, muss ja was vorgefallen sein. Tatsächlich. Auf der Straße liegt ein toter Wolf. „Zerfleddert, dreckig und schwer verletzt“, sagt der Daubaner. In die Mühlen der Auseinandersetzung Pro- und Kontra-Wolf will der Mann nicht geraten, weshalb sein Name nicht in der Zeitung stehen soll. Das wird sich als klug erweisen, denn die tote Wölfin könnte durchaus zu einem Politikum werden. „Die Jäger waren es nicht“, sagt der Daubaner. Aber das ist nur die halbe Wahrheit.

Die rationalen Fakten zur toten Wölfin aus dem Nochtener Rudel liefert das Kontaktbüro Wolfsregion Lausitz acht Tage nach dem Fund vom 19. März. Denn die mit gut 13 Jahren vergleichsweise uralte Wölfin „Einauge“ ist durch Bissverletzungen zu Tode gekommen. Das ist der erste Fall dieser Art hierzulande. Bislang haben die Lausitzer Wölfe eigentlich nur den Straßenverkehr als Feind gehabt. Seit Mücka steht fest, dass Lausitzer Wölfe auch Wölfe töten. Dafür stehen die „zahlreichen, massiven Bissspuren im Nacken- und Rückenbereich“, wie Vanessa Ludwig, Projektleiterin im Kontaktbüro informiert. Es gebe also vermutlich Revierkämpfe zwischen dem Nieskyer und Daubaner Rudel.

Das ist zwar eine einzigartige Entwicklung, aber die Tragik steckt in der Analyse durch das Institut für Zoo- und Wildtierforschung (IZW) in Berlin. Dort schieben die Wissenschaftler den Kadaver standardmäßig durch den Computertomographen. So lassen sich Fremdkörper oder Veränderungen im Körperbau, etwa alte Knochenbrüche; feststellen. Was die Wissenschaftler dort allerdings entdecken, ist erschreckend. Dass die Wölfin einäugig und etwas lahmend gewesen ist, hat Gründe. Ludwig: „Wie die Autopsie zeigte, waren diese Verletzungen auf Beschuss zurückzuführen. Es wurden mehrere Schrotkugeln und Metallpartikel aus dem Kadaver isoliert, die bezeugen, dass das Tier in den vergangenen Jahren mindestens zweimal beschossen worden ist, dies jedoch überlebte.“

Damit ist der Todesfall ein Politikum. Es gibt Menschen, die auf den Wolf schießen. Das ist im Fall dieses Raubtiers eine Straftat. Jedoch ist der Fall „Einauge“ noch aus einem anderen Grund hässlich. Denn der Schütze hat nicht nur illegal auf den Wolf geschossen. Er hat Schrot genutzt. Was daran so schlimm ist? Eine gut platzierte Kugel würde den Wolf sofort töten. Die vielen kleinen Schrotkugeln bedeuten allerdings Schmerzen, Leiden, eingeschränkte Nahrungssuche und Blutverlust bis hin zu Vergiftung und Siechtum. Am Ende kann der Tod stehen – ist aber unwahrscheinlich. Aus dem Umweltministerium in Dresden als oberste Jagdbehörde kommt die Reaktion auf diese Erkenntnis prompt von Sprecher Frank Meyer: „Die Obduktion ergab, dass auch alte verheilte Verletzungen durch Jagdmunition festgestellt wurden. Auch wenn dieser Beschuss nicht zum Tod der Wölfin geführt hat, war er illegal.“ Die Beratungen in den Behörden haben dann am Mittwochabend ergeben: „Wegen der nach so langer Zeit aussichtslos erscheinenden Suche nach den Tätern haben die Naturschutzbehörden von einer Anzeige bei der Staatsanwaltschaft abgesehen.“

Die Analyse bedeutet vor allem, dass es ein Jäger gewesen sein muss, der geschossen hat. Und das wiederum bringt auch Christian Berndt, den Vorsitzenden des Jagdverbands Niederschlesische Oberlausitz, in Rage. „Das ist absolut unwaidmännisch“, sagt er – obwohl er am Mittwoch ein gerissenes Muffeltier gerade begutachten muss und nicht gerade gut auf den Wolf zu sprechen ist. Aber gerade die Jäger haben neben den reinen Gesetzen und Vorschriften auch eigene, in der Tradition verhaftete Regeln, an die sie sich halten. Dazu gehört auch, dass ein Schuss sofort tödlich sein muss, um dem Wild unnötige Qualen zu ersparen. Schrot hingegen ist Tierquälerei bei einem Körper von Wolfsgröße.

Bei aller Tragik hat die Wölfin „Einauge“ aber gleichwohl mehr für die Wolfspopulation in der Lausitz getan, als alle anderen. Sie ist auf einem über 200 Quadratkilometer großen Territorium aktiv gewesen, hat laut Vanessa Ludwig mindestens 42 Welpen aufgezogen und so das Daubaner, Milkeler und Spremberger Rudel gegründet. Eine Tochter von „Einauge“ hat das Munster Rudel in Niedersachsen etabliert. 2012 hat Tochter „Lisa“ das Nochtener Territorium übernommen. „Einauge“ und der alte Rüde sind seitdem in den Süd-Ostrand ihres Territoriums gezogen. Aktuelle Fotofallenaufnahmen belegen, dass das Nieskyer Rudel in den Südbereich des Nochtener Territoriums vorgedrungen ist. Mücka ist da das Grenzgebiet. Ludwig: „Möglicherweise ist das alte Wolfspaar zwischen die Fronten von aktuellen Grenzstreitigkeiten benachbarter Wolfsfamilien gekommen.“ Die Analyse der genetischen Proben, die an den Bissverletzungen der Wölfin genommen worden sind, stehen noch aus.

 

Quelle: sz-online.de

Zuletzt geändert am: 28-03-2013 um 10:36

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