25.08.18|Warum der BUND gegen die S 177 klagt |
veröffentlicht am: 26-08-2018 |
Warum der BUND gegen die S 177 klagt
In hitziger Debatte rechtfertigt der Umweltverband den Gang vors Gericht. Noch ließe sich ein Zeitverzug abwenden.
Von Dirk Schulze
Wünschendorf. Das zentrale Anliegen formulierte Wünschendorfs Ortsvorsteher Wolfgang Weiß: „Wie können wir Sie davon überzeugen, dass sie ihre Klage zurückziehen?“ Die Frage richtete sich an David Greve, den Landesgeschäftsführer des Bundes für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) in Sachsen. Der Umweltverband klagt gegen die geplante Ortsumfahrung der S 177 um Wünschendorf und Eschdorf. Der von den verkehrsgeplagten Einwohnern herbeigesehnte Bau der Umgehungsstraße könnte sich dadurch um Jahre verzögern. In einer Einwohnerversammlung stellte sich der Verbandschef den Fragen der Anlieger. Die SZ fasst die hitzige Diskussion im überfüllten Saal der Alten Feuerwache in Wünschendorf zusammen.
Warum wird der BUND erst so spät gegen die geplante Straße aktiv?
Seit 2010 konnten betroffene Anwohner, Gemeinden, Behörden und Verbände ihre Einwände gegen die geplante Trassenführung der neuen S 177 vorbringen. Drei Änderungsrunden hat es gegeben, bevor Anfang 2018 die finale Variante genehmigt wurde. Warum greift der BUND erst kurz vor Baubeginn ein? Eine Klage ist rechtlich erst möglich, wenn das Planfeststellungsverfahren abgeschlossen ist, nicht eher, stellte David Greve vom BUND klar. Sein Verband habe sich auch schon zuvor beteiligt und zwei Stellungnahmen abgegeben. Die Argumente seien aber nicht ausreichend berücksichtigt worden. Deshalb folgte im Frühjahr die Klage.
Was will der Umweltverband erreichen?
Er gehe nicht davon aus, dass der BUND den Straßenbau verhindern könne, erklärte David Greve. Sein Verband wolle aber Verbesserungen für den Naturschutz erreichen, konkret eine breite Grünbrücke am Doberberg und eine Trassenverschiebung am Klemnitztal, sodass dort weniger schützenswerte Bäume gefällt werden müssen. An dieser Stelle gab es Kontra von Vize-Landrat Heiko Weigel (CDU), der neben dem BUND-Chef auf dem Podium saß. Die Planer vom Landesamt für Straßenbau und Verkehr hätten sich intensiv mit der Grünbrücke auseinandergesetzt. Auch das Pirnaer Landratsamt habe dafür gekämpft, dass die Querung breiter wird. Letztlich sei aber keine einzige Tierart nachgewiesen worden, die an dieser Stelle die künftige Straße quert. Oder wie es Ortsvorsteher Wolfgang Weiß ausdrückte: „Auf diesem Stück gibt es nur Schafe.“ Auch Weiß hätte gern eine Grünbrücke, sie müsse aber bezahlbar sein. Der BUND hält dagegen, dass etwa die Überwinterung und Wanderung von Vogelarten überhaupt nicht erfasst wurde. „Die Artenschutzuntersuchung ist mangelhaft“, sagte David Greve. Es habe grundsätzliche Verfahrensfehler gegeben, dagegen richtet sich die Klage.
Was sagen die Einwohner von Wünschendorf und Eschdorf?
Die Atmosphäre während der Versammlung in Wünschendorf war geladen. Mehrfach wurde es laut, der BUND-Geschäftsführer musste sich Zwischenrufe anhören, die teils deutlich unter die Gürtellinie zielten. Viele Einwohner schilderten aber auch in sachlichen Wortmeldungen, was sie tagtäglich erleiden müssen, seit sich immer mehr Lkws über die schmale Dorfstraße zwängen. Aufgrund des Lärms bekomme sie nachts kaum mehr als drei Stunden Schlaf, sagte eine Wünschendorferin, die direkt an der Straße wohnt. Die Kinder kommen nicht über die Straße. Mehrfach wurden Hausecken abgefahren, Masten und Zäune beschädigt. „Alle, die hier was zu sagen haben, sollen sich mal montags früh um sechs an die Straße stellen“, forderte ein Anwohner. „Wer verantwortet das, wenn hier ein Kind überfahren wird?“ Seit die Ostumfahrung von Dresden, zu welcher der beklagte Abschnitt der S 177 gehört, im Norden und Süden schon fertiggestellt ist, wächst das Verkehrsaufkommen stetig. Im Jahr 2010 wurden noch 8 900 Fahrzeuge täglich gezählt, 2017 waren es schon 15 000. „Ich verstehe das komplett“, sagte BUND-Landeschef David Greve. Wenn die Umweltverbände jedoch nicht eingriffen, dann würde alles zubetoniert. Greve deutete auch eine vermeintliche Strategie der Behörden an: Straßengroßbauprojekte würden oft mit den Abschnitten begonnen, die am einfachsten umzusetzen sind. Gibt es bei strittigen Teilen dann Widerstand, könne man darauf verweisen, dass es nun nicht mehr anders geht. Leidtragende seien die Anwohner.
Wie lange wird der Baubeginn durch die Klage verzögert?
Wie viel Zeit die Richter benötigen, um die Regalmeter voller Planungsakten zu sichten und zu bewerten, mag selbst das damit befasste Verwaltungsgericht Dresden nicht vorhersagen. Heiko Weigel vom Landratsamt Pirna skizzierte in Wünschendorf jedoch einen groben Zeithorizont. Erfahrungsgemäß dauere es mindestens drei Jahre, ehe ein Urteil fällt. Bei einer Revision kämen noch einmal ein bis zwei Jahre drauf. Selbst wenn die Planung vor Gericht Bestand hat, könne es sein, dass sie dann veraltet ist und es von vorn beginnt.
Gibt es einen Weg, das Verfahren zu beschleunigen?
Der Freistaat Sachsen kann die Straße trotz der Klage bauen, allerdings auf eigenes Risiko. Denn der BUND hat nur gegen den Planfeststellungsbeschluss geklagt, nicht gegen die sofortige Umsetzung. Vize-Landrat Heiko Weigel appellierte jedoch an den Umweltverband, genau das noch zu tun. Denn hierin könnte eine Chance liegen, früher als in ein paar Jahren Klarheit zu bekommen. Der Fachbegriff lautet vorläufiger Rechtsschutz. Innerhalb von sechs Monaten müssten sich die Richter dann einen groben Überblick über die Klage verschaffen und deren Chancen einschätzen. Am Ende stünde noch kein Urteil. Alle Beteiligten würden aber einen Fingerzeig bekommen, in welche Richtung es geht. David Greve nahm diesen Vorschlag an. Er werde die Idee dem Landesvorstand des BUND Sachsen vortragen, der darüber entscheidet. Auch über die Stimmung in Wünschendorf will er dem Vorstand berichten.
Quelle: sz-online.de/Pirna
Zuletzt geändert am: 26-08-2018 um 22:56 >Zurück
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