19.02.16|Ein Wolf namens Klitschko |
veröffentlicht am: 21-02-2016 |
Ein Wolf namens Klitschko
In der Königsbrücker Heide lebt seit einigen Jahren ein ungewöhnlich großer Rüde mit seiner Familie.Und schaut auch im Rödertal vorbei.
Von Nicole Preuß
Königsbrück. Die Mitarbeiter der Naturschutzgebiets- Verwaltung haben sie schon manches Mal gesehen. Sie sitzen im Heidekraut, hocken schnurgerade auf dem alten Panzerdamm oder machen sich gerade über ein totes Reh her. Die Wölfe. Seit fünf Jahren lebt ein Rudel auf dem ehemaligen Truppenübungsplatz nordwestlich von Königsbrück. Eigentlich müsste es in dem minenbelasteten Gebiet weitgehend unbemerkt bleiben. Doch die Mitarbeiter der Naturschutzgebietsverwaltung haben die Tiere im Blick. Das geht so weit, dass sie ihnen sogar Namen geben.
Der Rüde wird Klitschko genannt. Denn das Tier ist ungewöhnlich groß, selbst für einen Wolf. „Er ist auf alle Fälle deutlich größer als ein Schäferhund“, sagt Dirk Synatzschke. Der Verantwortliche für die Gebietsentwicklung der Königsbrücker Heide kümmert sich um die Erfassung der Wölfe auf dem Gebiet. Klitschko kommt aus Polen. Das haben genetische Untersuchungen von frischer Losung ergeben. Ungewöhnlich ist auch seine Zeichnung. Er hat einen markanten Sattelfleck zwischen den Schultern. Wäre er nicht so groß, würden ihn die Fachleute sicher daran erkennen.
Wenig Störungen
Seine Partnerin ist das genaue Gegenteil. Die Fähe ist vergleichsweise klein und fast gar nicht gezeichnet. „Sie sieht aus, wie schon paarmal durch die Waschmaschine gejagt“, sagt Dirk Synatzschke. Außerdem schielt die Wölfin leicht. Den Namen Silberblick bekam sie deshalb noch von Fachleuten bei ihrem Elternrudel im Seenland. Als sie alt genug war, wanderte die Fähe aus, fand ihren Klitschko und ließ sich in der Königsbrücker Heide nieder. Das war wahrscheinlich Anfang des Jahres 2011. Wenige Monate später haben die Mitarbeiter der Naturschutzverwaltung auf Fotofallenbilder zum ersten Mal Welpen gesehen. Das Rudel war gegründet.
Seitdem fühlen sich Klitschko und Silberblick in der Königsbrücker Heide wohl. So wohl, dass sie jedes Jahr vier Welpen bekommen. 2014 waren es sogar mal sechs. Vielleicht liegt das daran, dass sie in der Königsbrücker Wildnis gute Bedingungen finden. Die Störungen sind eher gering. Das Betreten des Naturschutzgebietes ist streng verboten. Ein paarmal die Woche fährt der Bus der Naturschutzgebietsverwaltung mit Besuchern über den Hauptweg. Doch sonst findet man kaum Menschen in dem riesigen, 70 Quadratkilometer großen Naturschutzgebiet. Auch keine Jäger. Das Wild hat ideale Bedingungen, um sich zu vermehren.
Die Mitarbeiter in der Königsbrücker Heide lassen regelmäßig Losungen im Senckenberg-Institut in Görlitz analysieren. Daher wissen sie, was die Wölfe fressen. Die Hälfte ihrer Nahrung besteht aus Reh. Wildschwein steht aber auch auf ihrem Speisezettel. Hirsche fressen sie, Hasen und sogar Biber. Das ist ein Alleinstellungsmerkmal der Königsbrücker Heide. „Wir haben erst mal auch geschluckt, als wir das erfahren haben“, sagt Dirk Synatzschke. Schließlich sind Biber geschützte Tiere und das Vorkommen in der Heide außergewöhnlich. 45 Biberfamilien wurden 2011 gezählt. Doch die Beobachtung lehrt. „Die Wölfe haben die Biberpopulation auf ein naturgemäßes Level gebracht“, sagt Synatzschke. Wildnis eben.
Schafhalter haben aufgerüstet
Das Wolfsmonitoring, das die Mitarbeiter betreiben, ist mit Aufwand verbunden. Losungen werden gesammelt, Blut der läufigen Fähe wird aufgenommen, Fährten werden gelesen und auch immer wieder Fotofallen ausgewertet. Vier Kameras hängen inzwischen an günstigen Stellen in der Königsbrücker Heide. Mit ihrer Hilfe wurden sogar schon Filmsequenzen der Wölfe gedreht. Ganz aktuelle Aufnahmen aus dem vergangenen Jahr zeigen das vorbeilaufende Rudel. Einer der jungen Wölfe humpelt. Und ist trotzdem fast so schnell wie die Geschwister. Die Bilder liefern Fakten zum Leben der Wölfe. So weiß man inzwischen, dass auch in der Heide immer zwei bis drei Welpen ein Jahr länger bei ihren Eltern bleiben, um sich um die neuen Welpen zu kümmern. „Die sind so was wie Kindergärtner“, sagt Dirk Synatzschke. Und die Eltern gehen derweile zur Jagd.
Doch es gibt auch Kritiker. Schließlich ist selbst die große Königsbrücker Heide eigentlich nicht groß genug für ein Wolfsrudel. Eine Wolfsfamilie könnte locker das doppelte Gebiet durchstreifen. In den ersten beiden Jahren gab es auch einige Schafsrisse in der Umgebung. Besonders die Gegend um Tauscha und Lüttichau hatten sich die Tiere gewählt. Doch seitdem wurden keine Vorfälle mehr gemeldet. Die Wölfe haben ihr Revier gefunden – und, was nicht zu vernachlässigen ist – die Tierhalter haben auch mit Hilfe von Fördermitteln aufgerüstet. Der Schäfer, der im Auftrag der Naturschutzgebietsverwaltung die Wiesen am Rand des Schutzgebiets pflegt, schaffte einen Zaun nach Vorschrift an. Den haben die Wölfe schon mal getestet, was man an einer eingedrückten Stelle sehen konnte, sich dann aber höchstwahrscheinlich jaulend zurückgezogen. „Das merken die sich“, sagt Dirk Synatzschke. Schafe einfach nur anzupflocken, empfiehlt er nicht mehr. „Solche Beute lassen sich die Wölfe nicht entgehen.“ Und natürlich muss man sich darüber im Klaren sein, dass der Nachwuchs der Heidewölfe neue Rudel gründet. Eine Fähe ist zum Beispiel die Stamm-Mutter des Laußnitzer Heide-Rudels. Ein Rüde ging nach Großräschen und gründet dort eine Familie.
Dirk Synatzschke hat es in der Heide bereits auf 13 Wolfssichtungen gebracht. Die anderen Mitarbeiter der Verwaltung haben die Tiere schon mindestens einmal beobachtet. Eigentlich ist es überraschend, dass sich der Wolf erst vor wenigen Jahren in dem wildreichen Schutzgebiet niederließ. Doch jetzt ist er da – um zu bleiben.
Quelle: sz-online.de
Zuletzt geändert am: 21-02-2016 um 23:33 >Zurück
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