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Gesunde Zukunft | NEWS

18.02.14 // Neuer Ärger um Wolfsgutachten

veröffentlicht am: 18-02-2014
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Neuer Ärger um Wolfsgutachten

Die 47-Seiten-Abhandlung zum B 6-Unfall ist im Internet abrufbar. Gegner kritisieren, sie sei unwissenschaftlich.

Von Anna Hoben

 

Die Abhandlung beginnt staatstragend. „Jede Wahrheit braucht einen Mutigen, der sie ausspricht“, dieses Motto steht auf der Titelseite des Gutachtens. Der Meißner Wernher Gerhards hatte es nach dem Unfall in Diera-Zehren verfasst, bei dem im Dezember zwei Autofahrer schwer verletzt und neun Pferde getötet worden waren. Gerhards, der sich als „freier Wissenschaftsjournalist“ bezeichnet, hatte es wochenlang unter Verschluss gehalten; jetzt ist es auf der Internetseite des Meißner Kreisjagdverbandes abrufbar.

Experten kritisieren das Gutachten heftig. „Herr Gerhards hat sich offensichtlich noch nicht wissenschaftlich mit Wölfen und Monitoring beschäftigt“, sagt Ilka Reinhardt vom Wildbiologischen Büro Lupus. Die Forschungseinrichtung mit Sitz in Spreewitz begleitet die Wiederansiedlung der Wölfe in Deutschland. Sie habe das Gutachten überflogen, sagt Reinhardt – und an manchen Stellen laut gelacht. „Das ist eine Aneinanderreihung von Absurditäten.“ So erfinde Gerhards in seinen Ausführungen offenbar eine neue Wolfsart, die er „Canis lupus multiplex“ nenne. „Diese Bezeichnung war in der Wissenschaft bisher unbekannt“, so Reinhardt.

Der Klipphausener Jäger Andreas Vorrath äußert sich ähnlich über die Ausführungen: „Das ist eine fachliche Katastrophe“, sagt er. Er sei „hochgradig verärgert und schwer enttäuscht von der Jägerschaft“. Der Kreisjagdverband hatte auf Basis des Gutachtens einen Brandbrief an das Innenministerium geschrieben, in dem die Jäger den Wolf als „Gefahr für die Öffentlichkeit“ bezeichnet hatten.

Wernher Gerhards indes hat offenbar mit Kritik an seinem Gutachten gerechnet. Seinen Ausführungen schickt er vorweg: „In Erwartung, dass die Pro-Wolf-Lobby auftretende Kritiker sofort frontal angreift und denunziert, ist eine sachliche Diskussion oder Analyse nicht zu erwarten.“ Er zeigt, wie er den Pfotenabdruck eines Wolfes von dem eines Hundes unterscheidet. Dazu nutzt er das sogenannte Carolus-Kreuz: zwei gekreuzte Linien, die zwar passgenau in den Wolfsabdruck passen sollen, aber nicht in den des Hundes. „Davon haben wir noch nie gehört“, sagt Ilka Reinhardt vom Wildbiologischen Büro Lupus. In einem Beitrag von MDR Extra wurde die mehr als 1.000 Jahre alte Methode vergangene Woche beleuchtet. Im Test mit einem Wolfsexperten vom Naturschutzbund erwies sie sich als ungenau.

In seiner 47-seitigen Abhandlung kritisiert Gerhards, dass nach dem Unfall kein Gutachter von offizieller Stelle zum Unfallort geschickt worden sei. Zu seiner eigenen Motivation schreibt er: „Jagdlich, privat und im Sinne der Staatsbürgerpflicht wurde authentisch und gewissenhaft der Sache nachgegangen“. Er schimpft auf Politik und Medien, zwischendurch gibt es Sätze wie: „Jeder Ladendiebstahl wird intensiver geprüft als Ökoterrorismus.“

Auch online wird das Gutachten kontrovers diskutiert. „Das ist eine Mischung aus Erlebnisbericht und politischem Statement samt Selbstmitleid der Jägerschaft gepaart mit ein paar fragmentarischen Beobachtungen“, schreibt ein Nutzer in einem Forum zum Thema Wolf.

Der Autor Wernher Gerhards wollte der Kritik auf Nachfrage gestern nichts entgegnen. Auch das Umweltministerium wollte sich noch nicht zu dem Gutachten äußern. Die Ausführungen liegen auch der Landesdirektion Sachsen vor; sie prüft, ob die Pferdebesitzer Anspruch auf Schadenersatz haben. Sprecher Ingolf Ulrich: „Der Landesdirektion wurde das ’Gutachten’ des Herrn Wernher Gerhards durch den Landkreis Meißen übermittelt. Welche Rolle dieses im Verfahren spielen wird, kann derzeit nicht eingeschätzt werden.“

Das Gutachten ist zu finden auf der Internetseite des Meißner Kreisjagdverbandes unter der Adresse www.naturschutz-kjv-meissen.de

Quelle: sz-online.de

Zuletzt geändert am: 18-02-2014 um 12:32

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