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Gesunde Zukunft | NEWS

12.01.14 // Diana schießt nicht mit Schrot

veröffentlicht am: 12-01-2014
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Diana schießt nicht mit Schrot

Wer hat den Wolfswelpen in Hermsdorf zersiebt? Die Gerüchteküche kocht. Die Staatsanwaltschaft ermittelt. Aber der Schütze scheint sich sicher zu sein.

Von Jana Ulbrich

Wie viel Hass muss in einem stecken, der mit einer Schrotflinte aus nächster Nähe auf einen jungen Wolf losballert? Der sich nicht mal die Mühe macht, den Kadaver des streng geschützten Tieres zu vergraben? Der seine Beute womöglich bewusst wie eine Trophäe zur Schau stellt: Siehst du Wolf, so ergeht es dir, wenn du uns zu nahe kommst!

Mitten auf der Wiese hat der tote Welpe gelegen am 13. Dezember. In Hermsdorf an der Kleinen Spree. Nur ein paar hundert Meter entfernt von den letzten Häusern. Nicht weit vom idyllischen Spazierweg, der an der alten Mühle vorbei aus dem Ort führt: über den Mühlgraben, unter knorrigen Linden am Wasser entlang und dann über die Wiesen in den Wald. Aller paar Meter ist hier ein Hochsitz gezimmert. Es muss ein einträgliches Jagdrevier sein. Der tote Wolf, erst im letzten Frühjahr geboren, hatte 31 Schrotkugeln im Bauch.
Diana hätte niemals mit Schrot auf ein geschütztes Tier geschossen. Die Göttin der Jagd steht keinen Kilometer vom Fundort entfernt. Die schöne Statue ist das stolze Wahrzeichen des kleinen Dörfchens mit seinen nicht mehr ganz 200 Einwohnern. Die Hermsdorfer haben sie gerettet, als ihr Schloss 1979 wegen Baufälligkeit gesprengt wurde. Nur Diana ist übrig vom Schloss. Ausgerechnet die Göttin der Jagd – wie paradox es doch manchmal zugeht!

„Schrot – das ist doch das Gemeinste, was es gibt für ein Tier.“ Die Mittfünfzigerin, die jeden Tag mit ihrem Hund an Diana vorbei in den Wald wandert, wird richtig zornig bei dem Thema. „So eine Niedertracht“, schimpft sie. Sie gehöre zu denen im Ort, die sich kein bisschen stören am Wolf, erzählt sie freimütig. Aber ihren Namen will sie lieber nicht in der Zeitung sehen. Es gibt ja hier auch die, die anders denken. Sie will da nicht ins Gerede kommen. Seit Jahren schon leben die Hermsdorfer mit den Wölfen. Schon viermal, erzählt die Mittfünfzigerin, ist sie im Wald einem Wolf begegnet. Am helllichten Tag. „Ein sehr beeindruckendes Erlebnis“, sagt sie. Angst hat sie nicht. Der Mensch gehört doch nicht ins Beuteschema. Warum soll der Wolf also hier nicht leben können?

Es gibt so manchen in Hermsdorf, der das anders sieht. Jemand hat zwischen die Öffnungszeiten vom Kosmetikstudio und die Einladung zur Feuerwehrversammlung einen Artikel vom Naturschutzbund an die Anschlagtafel geklebt. Im Artikel wird der Abschuss des Wolfswelpen scharf verurteilt. Jemand hat die Zeilen kreuz und quer mit einem dicken schwarzen Filzstift durchgestrichen. Und jemand hat abgerissen vom Papier, was abzureißen ging. Lesen kann das jetzt keiner mehr.

Dass es von der weltgrößten Naturschutzorganisation WWF 10000 Euro Belohnung geben soll für denjenigen, der hilft, den Schützen dingfest zu machen, das kann hier auch keiner lesen – weder an der Anschlagtafel noch auf der Internetseite der Gemeinde Lohsa, zu der Hermsdorf gehört. Der Bürgermeister weiß das auch nur aus der Zeitung. Aber gegen den Schützen müsse man hart vorgehen, findet Udo Witschas. „Diese Tat ist unmoralisch und verwerflich. Da kann man zum Wolf stehen, wie man will.“

10000 Euro! Wird denn niemand schwach bei dieser unglaublichen Summe? Nun ja, man könne sich da schon den einen oder anderen Verdächtigen vorstellen, erzählt jemand hinter vorgehaltener Hand. Aber beweisen? Beweisen lassen wird sich die Tat wohl auch diesmal nicht. Da sind sich diejenigen, die das freut, und diejenigen, die das ärgert, mal einig. Und der Schütze ist sich wohl auch ziemlich sicher. Hätte es einen Zeugen gegeben, hätte der sich längst gemeldet. Auch die 31 sichergestellten Schrotkugeln taugen nicht als Beweis. Am Schrot ist nicht nachweisbar, aus welcher Waffe es verschossen wurde.

Zwar hat die Staatsanwaltschaft in Görlitz die Ermittlungen aufgenommen, aber die gestalten sich – so sagt es ein Staatsanwalt – wie die Suche nach der Nadel im Heuhaufen. Finde man mal im Heu eine Nadel! Auch in den anderen drei Fällen, die es schon gab in der Gegend, mussten sich die Täter nicht verantworten. Nicht der, der in der Nähe von Reichwalde einen Wolf erschossen hat. Nicht der bei Rietschen. Und auch nicht der im dritten Fall, der sich ebenfalls bei Hermsdorf abgespielt hat. Vor zwei Jahren ist hier auf dem Forstweg nach Driewitz ein Wolf von einem Auto gehetzt und überfahren worden. Die Ermittlungen sind alle eingestellt.

Über Diana senkt sich langsam die Nachmittagssonne. Roland Trentzsch, der daneben im früheren Rittergut wohnt und hier ein kleines Heimatmuseum eingerichtet hat, kann viel über die Statue erzählen. Und vom Leben mit den Wölfen. Er hat sogar schon mal einen die Dorfstraße runtermarschieren sehen. „Die Wölfe sind gar nicht so scheu“, sagt er. Aber ob es inzwischen nicht langsam zu viele werden? Aus dem Küchenfenster kann er die Rehe beobachten, erzählt er. Eine Ricke mit ihren zwei Kitzen kommt fast jeden Tag. Es gibt schon noch reichlich Wild in den Wäldern.

Gibt es das wirklich? Wolfgang Reichert ist da skeptisch. Seit über 20Jahren ist der Professor und Arzt ein passionierter Freizeitjäger. Er hat schon lange kein Reh mehr gesehen in seinem Revier, erzählt er. Dafür Wildschweine, die sich in immer größeren Rotten zusammentun und Rotwild ohne Kälber. Das soll nichts zu tun haben mit dem Wolf?

„Aber einen Wolf abschießen, und auch noch so, das geht überhaupt nicht“, sagt der 64-Jährige, der auch im Vorstand des Hoyerswerdaer Jagdverbandes eine gewichtige Stimme hat. Ganz und gar gegen die Ehre sei das. Gegen das Gesetz ja sowieso. Der Jagdverband hat sich von der Tat distanziert und den Abschuss scharf kritisiert. Trotzdem, sagt Reichert, müsse man dringend offen reden über den Wolf. Am helllichten Tag soll jetzt einer in Lohsa gesehen worden sein. Vier Schafe hat er gerissen. So viele Wölfe – keiner weiß ja, wie viele es mittlerweile tatsächlich sind –, so viele Wölfe in einem so dicht besiedelten Gebiet? Kann das gutgehen?

In Hermsdorf diskutieren das die Leute schon lange. Köppes, die in der Mühle wohnen, von der aus der Weg in den Wald führt, hatten schon Wolfsspuren vor der Haustür. Bernd Köppe sägt gerade Holz. Der Kater ist weg, erzählt er und zeigt rüber auf die Wiese. Ein Jäger will gesehen haben, dass dort eine zerrissene Katze lag. Und dort drüben, zeigt er, dort hat seine Tochter den erschossenen Welpen gefunden. „Aber der, der das war, den wird man hier nicht finden“, sagt er und sägt weiter.

Quelle: sz-online.de

Zuletzt geändert am: 14-01-2014 um 02:18

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