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Gesunde Zukunft | NEWS

05.06.13 // Landet der Atommüll im Lausitzer Granit?

veröffentlicht am: 05-06-2013
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Landet der Atommüll im Lausitzer Granit?

Deutschland sucht ein Endlager. Zur Debatte steht auch die Region um Bischofswerda.

Von Sebastian Kositz
 

Augenscheinlich lässt sich dieses Müllproblem zunächst leicht überblicken. Alles auf einen Haufen geschoben nimmt der Berg nicht mehr als das Fassungsvermögen einer Fabrikhalle ein. 24000Kubikmeter Abfall, der es allerdings in sich hat. Es sind die Reste der komplett abgebrannten Brennstäbe aus Deutschlands Kernkraftwerken. Hoch radioaktiv, extrem gesundheitsgefährdend. Abfall, den natürlich keiner in Deutschland haben möchte, für den das gesamte Land aber gegenwärtig fieberhaft nach einem Endlager sucht – ohne Vorfestlegungen auf Gesteinsformationen und vor allem auf Standorte.

Von einer „weißen Landkarte“ sprach jüngst Bundesumweltminister Peter Altmaier (CDU), als er beim Neustart der Standortsuche sämtliche damit verbundene Kriterien auf null eichte. Doch so wie Gorleben damit zunächst aus der Schussbahn rückt, geraten andere Gebiete in Deutschland verstärkt ins Visier. Auch die Oberlausitz, wo sich das größte zusammenhängende Kristallingebiet Mitteleuropas auftürmt. In den vergangenen Jahren ist der Lausitzer Granit im Gebiet zwischen Kamenz, Radeberg, Bautzen und Löbau mal mehr, mal weniger als mögliches Endlager für Atommüll diskutiert worden. Ohne große Sorge jedoch, dass es mal einer ernst meint. Denn Granit galt in der Debatte in Deutschland bislang stets nur als dritte Wahl – hinter Salz und noch hinter Ton.

Doch diese herbeigeredete Gesetzlichkeit gilt nun erst einmal nicht mehr. Dass Wissenschaftler in den kommenden Jahren den Granit im Rahmen der Standortsuche näher unter die Lupe nehmen werden, gilt als wahrscheinlich. Ein Atommüll-Endlager in der Oberlausitz also? – eine Frage, bei der rein formal alles denkbar ist.

Gegenwärtig tobt in Berlin vor und hinter den Kulissen der Streit um die Rahmenbedingungen für die Endlagersuche. Entsprechend zurückhaltend geben sich die handelnden Akteure aus der sächsischen Politik. „Im Moment ist noch alles offen“, sagt Jörg Müller von Berneck, der persönliche Referent von Ministerpräsident Stanislaw Tillich (CDU). Der enge Vertraute des sächsischen Regierungschefs sieht den Knackpunkt für Sachsen vor allem in der Frage, welche Rolle das Thema Rückholbarkeit der Abfälle bei der Endlagersuche spielen wird. „Die Frage ist, müssen die Abfälle auch künftig erreichbar sein oder nicht? Salz und Ton umschließen später die radioaktiven Abfälle. Im Granit hingegen könnten die Abfälle auch später durch Stollen erreichbar sein“, erklärt Jörg Müller von Berneck. Seine Prognose: „Wenn die Rückholbarkeit oberste Priorität bekommt, sind Teile von Sachsen mit im Suchraster.“

In diesem Fall wären die Geologen am Zug. Sie würden dann untersuchen, inwieweit das sogenannte Lausitzer Granodioritmassiv geeignet wäre. „Die Geologen müssten etwa die Festigkeit des Gesteins prüfen. Dann zeigt sich, ob Sachsen im Blickfeld bleibt“, so Jörg Müller von Berneck.

In Skandinavien haben sich die Verantwortlichen bei der Endlagerung des hoch radioaktiven Atommülls bereits schon jetzt auf den Granit festgelegt. Auf der finnischen Halbinsel Olkiluoto an der Westküste des Landes soll das weltweit erste Endlager für Atommüll entstehen. In mehreren Hundert Metern Tiefe könnten dort in wenigen Jahren die ersten Kupferkapseln mit den strahlenden Hinterlassenschaften aus den finnischen Kernkraftwerken im harten Gestein versenkt werden. Atommüll in Granit – in Finnland, aber auch in Schweden oder Kanada das erste Mittel der Wahl.

Insofern würde Deutschland mit dem Verschluss des Atommülls im Granit kein Neuland betreten. Experten sind jedoch dennoch skeptisch. „Die Größe der Vorkommen in der Lausitz kann gar nicht mit denen in Schweden, Finnland oder Kanada mithalten. Die Lausitzer Platte ist viel zu klein, als dass sich dort gute Bedingungen finden werden“, sagt Matthias Gruner, von der TU-Bergakademie Freiberg.

Der Fachmann für Entsorgungsbergbau verweist auf eine bereits etwas ältere Studie, die an der Eignung der deutschen Granitgebirge erhebliche Zweifel anmeldet. Darin heißt es, dass die „deutschen Granitgebiete in einer wesentlich unruhigeren Region liegen als die skandinavischen Kristalline. Sie sind somit intensiver geklüftet, gestört und teilweise auch deformiert.“ Allerdings macht die Studie auch etwas anderes deutlich: Bei der Suche nach einer Endlagerstätte in Granit böte sich die Oberlausitz gegenüber anderen Gebirgen wie dem Thüringer Wald, dem Erzgebirge, dem Fichtelgebirge oder dem Schwarzwald am ehesten an. Besonders „der nördliche Teil des Komplexes“ wäre denkbar, heißt es in der wissenschaftlichen Untersuchung.

Ob der Lausitzer Granit geeignet wäre, das kann auch der erfahrene Dresdner Kernphysiker Wolfgang Hansen nicht einschätzen. Der Professor am Institut für Energietechnik an der Technischen Universität Dresden verweist allerdings ebenfalls darauf, dass die Lagerstätten in Deutschland rissiger und poröser sind als in Skandinavien. „Letztlich kommt es bei der Endlagerung darauf an, eine Rückkehr der radioaktiven Materialien in die Biosphäre zu verhindern, was vor allem über den Wasserkreislauf denkbar wäre“, so der Forscher.

Doch was könnte ein mögliches Endlager in der Oberlausitz für Folgen haben? „Dass die Anwohner durch unterirdisch gelagerten radioaktiven Abfall beunruhigt wären, ist psychologisch nachvollziehbar. Die Frage ist, ob das auch sachlich begründet ist. Das deutsche Strahlenschutzrecht ist eines der strengsten der Welt, dort festgelegte Grenzwerte werden in der Regel deutlich unterschritten“, versucht Wolfgang Hansen allgemeine Bedenken zu zerstreuen. Ein Beigeschmack bliebe wohl dennoch. Holm Große von der Marketing-Gesellschaft Oberlausitz-Niederschlesien sieht in einem möglichen Endlager „kein Faktor, der die Region bereichern würde.“ Etwa eine halbe Milliarde Euro bringen Touristen jährlich in die Oberlausitz. Ob das auch noch der Fall ist, wenn durch die Landschaft die Züge mit den Castoren rollen, bleibt jedoch abzuwarten.

Quelle: sz-online.de // Bischofswerda

Zuletzt geändert am: 05-06-2013 um 21:15

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