05.05.18|Jäger liegen mit Wolfsforschern über Kreuz |
veröffentlicht am: 05-05-2018 |
Jäger liegen mit Wolfsforschern über Kreuz
Am Senckenberg Museum Görlitz werden Daten gesammelt. Es geht um Wolfskot, Wilddichte, Wanderungen.
Von Frank-Uwe Michel
Die Jäger im Kreis sind sauer. Nicht nur auf den Wolf an sich, sondern auch auf jene, die sein Vorkommen untersuchen. Senckenberg in Görlitz zum Beispiel. Dort müsse man endlich mit offenen Karten spielen, fordert Detlef Eckert, der Chef des Jagdverbandes Oberlausitz. Solange die Arbeit der Wissenschaftler nur auf das Wohlergehen der Wölfe ausgerichtet sei, mache eine Kooperation beider Seiten – unter anderem beim Kotsammeln oder der Weitergabe von Fotofallenbildern – keinen Sinn. Die wäre jedoch durchaus hilfreich, meint Prof. Hermann Ansorge, der die Auswertung der gesammelten Daten an maßgeblicher Stelle mitbestimmt. Die SZ stellt beide Ansichten dar und zeigt, wie aussagekräftig Wolfskotuntersuchungen sind.
Jäger: Wissenschaftler verwenden Informationen nur in ihrem Sinne
Die Situation scheint verfahren. Die Jägerschaft im Landkreis ist auf die Forscher vom Senckenberg Museum für Naturkunde und Lupus, dem Institut für Wolfsmonitoring und -forschung, nicht gut zu sprechen. Solange man dort der Meinung sei, man müsse in der Lausitz unbedingt Wölfe haben, sei jede Zusammenarbeit sinnlos, poltert Eckert. Die Wissenschaftler würden nie die Wahrheit sagen, auf Fragen gebe es keine klaren Antworten. In der Vergangenheit hätten die Jäger Losungen eingeschickt. Die Ergebnisse waren nach Eckerts Meinung jedes Mal vorbestimmt: kein Wolf.
Senckenberg: In der Wolfsforschung gibt es absolute Transparenz
Hermann Ansorge bestätigt, dass es früher immer wieder Anfragen von Jägern gab. Seit 2001 untersuche man in Görlitz Wolfslosungen aus ganz Sachsen, seit 2007 sei das Senckenberg sogar Deutschlands Kompetenzzentrum für Nahrungsanalysen. Auch wenn man aktuell kaum Kontakt habe zur hiesigen Jägerschaft – auf die Daten des sächsischen Wildtiermonitorings, eines Onlinemeldesystems für die Jäger im Freistaat, könne man sehr wohl zugreifen. Lupus verfüge über ein Leserecht. So gingen 81 Datensätze aus dem Monitoringjahr 2016/17 in die Forschungen mit ein. Deren Ergebnisse würden, so Ansorge, in Sachsen sehr zeitnah und für jedermann erreichbar veröffentlicht. Und zwar im Internet auf www.dbb-wolf.de. Der Wissenschaftler stellt klar: „Wir vertuschen nichts.“
Forschung: Rudelzugehörigkeit und Wanderungsbewegungen
Was wie ein Häufchen Elend aussieht, hat für die Wissenschaftler große Bedeutung. Denn an Hand des Kots lassen sich mehrere Problemkreise klären. „Wir erkennen in den Hinterlassenschaften, was die Tiere zu sich nehmen. Wir können anhand der Kotproben aber auch Wanderungsbewegungen nachweisen“, erläutert Ansorge. Schließlich werde aus den Losungen genetisches Material gewonnen, weil sich teilweise noch Darmpartikel an den Ausscheidungen befinden. „Daraus lässt sich die Zugehörigkeit zu bestimmten Rudeln ableiten oder auch, ob das Tier ein Mix aus Wolf und Hund ist.“ Genforschungen würden jedoch nicht in Görlitz, sondern im Senckenberg-Institut Gelnhausen durchgeführt.
Nahrungsanalyse: Rehe stehen ganz oben auf dem Speisezettel
Antonia Wauer, eine ehemalige Studentin der Hochschule Zittau-Görlitz, hat in ihrer Diplomarbeit unter Anleitung von Hermann Ansorge für mehrere Rudel die Nahrungsbestandteile untersucht. Daraus geht hervor, dass die Beute des Nochtener Rudels zu 50,4 Prozent aus Rehwild besteht. 22,9 Prozent wird Schwarzwild gefressen, 18,1 Prozent Rotwild. Lediglich 1,7 Prozent entfallen auf Nutztiere. Ähnlich sieht es im Daubitzer Rudel aus. Dort entfallen 41,9 Prozent auf Rehwild, 34,3 Prozent auf Rotwild und 18,3 Prozent auf Schwarzwild. Nutztiere spielen hier nur eine untergeordnete Rolle. Das Nieskyer Rudel hat mit 46,9 Prozent am liebsten Rehe auf der Speisekarte. Ihnen folgen Wildschweine mit 29,1 und Rotwild mit 11,4 Prozent. Nutztiere wurden zu 1,9 Prozent nachgewiesen.
Vorkommen: Weil es so viel Nahrung gibt, ist die Wolfsdichte so hoch
Nach den aktuell vorliegenden Forschungsergebnissen ist die Wolfsdichte in der Lausitz zum Teil höher als im wolfsreichen Polen. Grund dafür ist das gute Angebot an Futtertieren. Die Wilddichte wird aktuell ebenfalls bei Senckenberg untersucht. Und auch, ob sie durch den Wolf gelitten hat. Hermann Ansorge: „Tatsache ist, dass zum Beispiel Mufflons verschwinden, wenn Wölfe auftauchen. In den Königshainer Bergen wurden jedenfalls keine mehr festgestellt.“ Sehr wahrscheinlich habe auch die Zahl der Rehe abgenommen. Trotzdem betont der Wissenschaftler: „Das Wild ist frei und gehört nicht den Jägern.“
Quelle: sz-online.de
Zuletzt geändert am: 05-05-2018 um 21:40 >Zurück
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