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Gesunde Zukunft | NEWS

01.04.16|Wölfe dringen nach Süden vor

veröffentlicht am: 01-04-2016
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Wölfe dringen nach Süden vor

Die Zahl der Tiere wird weiter steigen, sagen Fachleute vorher. Damit vergrößert sich auch das Siedlungsgebiet.
Von Anja Gail

Bautzen. Die Existenz eines Wolfsrudels in den Königshainer Bergen hat sich bestätigt. Es hat sein Kerngebiet zwischen den Kämpferbergen und dem Kanonenbusch. Beobachtungen und Funde deuten außerdem darauf hin, dass sich auch am Czorneboh bei Cunewalde ein Rudel angesiedelt hat. Davon geht das Kontaktbüro für die Lausitzer Wölfe aus. Das verstärkt die Sorgen bei Jägern und Nutztierhaltern.

Mit ihnen hat jetzt das Kontaktbüro in Reichenbach diskutiert. Dort will es demnächst auch einen öffentlichen Vortrag anbieten. Die SZ greift wichtige Punkte aus der jüngsten Diskussion auf.

Was befürchten Jäger und Halter von Nutztieren angesichts neuer Rudel?

Sie fürchten, dass die Wölfe die Jagdreviere leerfressen, und erwarten so große Schäden und Probleme, auch für Nutztierhalter und den Menschen selbst, dass er spätestens dann gezwungen sein wird, die Wölfe massiv zu bejagen. Deshalb fordern Jäger bereits jetzt eine spürbare Reduzierung. Die aktuelle Wolfsdichte ist aus ihrer Sicht zu hoch. Jana Endel aus dem Kontaktbüro sagt dazu, dass der Wolf bisher nirgendwo den Schalenwildbestand so stark reduziert hat, dass keine Jagd mehr möglich wäre. Es ist jedoch wahrscheinlich, dass die Jäger Einbußen hinnehmen müssen und die Bejagung aufgrund von Veränderungen im Wildverhalten schwieriger wird.

Welche weiteren Konfliktpunkte mit dem Wolf gibt es im Moment?

Die Wölfe haben die meisten Muffel in den Königshainer Bergen aufgefressen. Das wird von den Wolfsexperten in Kauf genommen, weil es sich bei den Wildschafen nicht um eine heimische Tierart handeln würde. Nach wie vor kommt es zu Nutztierrissen. Hausschafe und Ziegen machen zwar weniger als ein Prozent der Wolfsnahrung aus. Aber sie sind eine leichte Beute. Tierhalter müssen sich überlegen, welchen Aufwand sie betreiben, um ihre Schafe und Ziegen zu schützen. Die Jäger zweifeln die Zahl der Wölfe an, weil man sie ebenso wenig zählen kann wie Rehe, Rothirsche oder Wildschweine. Landwirte beklagen Schäden, weil sich das Wild in großen Rudeln konzentriere und das zunehmend auf Feldern und Wiesen. Für diesen Zusammenhang würde es zu wenig Daten und Beweise geben, sagt das Kontaktbüro. Jäger sehen sich insgesamt beim Thema Wolf zu wenig ernstgenommen und schnell unter Generalverdacht gestellt, wird ein toter Wolf gefunden. Sie verstehen nicht, dass der Bestand erst dann reguliert werden soll, wenn ein „günstiger Erhaltungszustand“ des Wolfsvorkommens erreicht ist.

Wie viele Wölfe müssten denn da sein, damit ihr Bestand als gesichert gilt?

Die Europäische Union geht von 250 bis 1 000 erwachsenen Wölfen aus, je nachdem, ob es einen Austausch mit Wölfen aus einer anderen Population gibt oder nicht. Die Wölfe in Deutschland werden mit den Wölfen aus Westpolen zu einem Bestand gezählt. Ein Austausch wäre künftig mit Tieren aus dem baltischen Vorkommen wahrscheinlich. Wildbiologe Ulrich Wotschikowsky sagt, dass etwa ein Drittel im gesamten Wolfsbestand erwachsene Tiere sind. Ein Rudel besteht aus mindestens zwei erwachsenen Wölfen, mehreren Welpen und Jungwölfen. Außerdem gibt es Paare und einzelne erwachsene Tiere. Das Kontaktbüro hält für das Vorhandensein von 1 000 erwachsenen Wölfen zwischen 300 bis 500 Rudel für wahrscheinlich. So weit werde es aber nicht kommen, weil bis dahin Wölfe bereits mit Tieren aus dem baltischen Vorkommen „zusammengewachsen“ seien. Dann würden mindestens 250 erwachsene Wölfe ausreichen, um den Bestand zu sichern. Das wären, laut Jana Endel, grob geschätzt jeweils 60 Rudel in Deutschland und Westpolen.

Und wie viele Rudel gibt es zurzeit in Deutschland und Westpolen?

Das Kontaktbüro geht von 31 Rudeln in Deutschland und etwa 34 Rudeln in Westpolen aus, zum Stichtag 30. April 2015. Die Zahl der Rudel müsste sich also fast verdoppeln – Paare und Einzeltiere außer Acht gelassen. Pro Rudel werden zwischen fünf bis zehn Tiere angenommen. Das wären bei den insgesamt 65 Rudeln zwischen 325 und 650 Wölfe. Wolfsberater Ulrich Wotschikowsky nennt im Internet 69 Rudel mit Stand Ende 2015, davon 36 in Deutschland und 33 in Westpolen. Diese Angaben beruhen auf Daten aus den Bundesländern und aus dem Internet. 2014 hatte er 27 Rudel in Deutschland ermittelt. Im Vergleich 2014 zu 2015 ist der Bestand in Deutschland um 33 Prozent gestiegen. Für Westpolen ist der Anstieg ähnlich zu sehen.

Müssen wir mit immer mehr Wölfen in der Region rechnen?

Ja, in Bezug auf die Flächen, die der Wolf noch nicht besiedelt hat, die aber für ihn infrage kommen. Der Wolf erschließt neue Gebiete südlich der Autobahn. Für Sachsen wird angenommen, dass ein Rudel im Schnitt auf 220 Quadratkilometern lebt. In der Lausitz sollen es zwei bis drei Wölfe auf 100 Quadratkilometern sein. Im Landkreis Görlitz, der 2 106 Quadratkilometer groß ist, leben zurzeit fünf bis sechs Rudel. Aus Brandenburg und Polen reichen Wolfsgebiete von zwei weiteren Rudeln und einem Wolfspaar hinein. Folgt man den Berechnungen nach Fläche und Tierzahl könnten also 40 bis 60 Wölfe im Landkreis Görlitz leben. Die Größe eines vom Wolf besiedelten Territoriums hängt auch von den vorhandenen Beutetieren ab. Wenn genug zum Fressen da ist, fällt das Territorium kleiner aus als im umgekehrten Fall. Ein Wolf frisst etwa vier Kilogramm Fleisch pro Tag, also 1 460 Kilogramm in einem Jahr.

Warum breitet sich der Wolf auch in der Lausitz weiter aus?

Der Wolf kann sich enorm gut anpassen. Seine Ausbreitung funktioniert außerdem dort gut, wo das Ausmaß der verursachten Schäden und Konflikte mit vertretbarem Aufwand gering gehalten werden kann. In der Lausitz finden die Wölfe ein großes Nahrungsangebot mit hoher Wilddichte vor. Unter diesen Voraussetzungen können mehr Welpen aufgezogen werden, die auch relativ spät aus ihrem Rudel abwandern. Jungwölfe verlassen ihre Familie im Alter zwischen zehn und 22 Monaten. Außerdem gibt es in der Lausitz ausreichend Wälder als Rückzugsgebiete und für die Welpenaufzucht. Der Wechsel mit offenen Landschaften, also die Kombination aus Wald-Feld-Dorf-Landschaft, funktioniert gut. Wölfe sind nicht mehr auf Wildnis angewiesen. Sie kommen gut mit der Kulturlandschaft klar.

Quelle: sz-online.de

Zuletzt geändert am: 01-04-2016 um 21:51

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